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Talsohle beim Welthandel durchschritten ?                                                                                                                                                                                    22.11.2019          

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Trotz einer Reihe von Strafzöllen im Handelskonflikt USA/China, des Ausstiegs der USA aus der Trans-Pazifischen Partnerschaft, der Ersetzung des nordamerikanischen Freihandels­abkommens (Nafta) durch das USA-Mexiko-Kanada-Abkommen (USMCA) und der Handels­unsicherheiten, die mit dem Brexit-Votum verbunden sind, wird die seit dem späten 18. Jahrhundert begonnene „moderne“ Globalisierung nicht zum Erliegen kommen. Womöglich hat sie in diesem Zyklus sogar ihre Talsohle schon durchschritten, worauf mehrere Indikatoren wie der Baltic Dry-Index hinweisen. Auch die OECD prognostiziert in ihrem jüngsten Wirtschaftsausblick einen Welthandel, der auf den Einbruch nach der Finanzkrise und der nochmaligen Verlangsamung Ende 2018/2019 in den nächsten Jahren wieder an Schwung gewinnt. Dies wäre ein gutes Vorzeichen für die globalen Konjunkturaussichten 2020.

Was verbirgt sich hinter dem bislang schleppenden Welthandel?

Innerhalb der Öffentlichkeit, aber auch der Ökonomen werden die Gründe des schwächelnden Welthandels seit der Finanzkrise kontrovers diskutiert. Die Verlangsamung des Welthandels könnte auf die relativ schwache Erholung der Weltwirtschaft – und insbesondere der globalen Investitionsausgaben - zurückzuführen sein, aber das Wachstum des Welthandels verlief auch relativ zum schwachen weltweiten Wirtschaftswachstum historisch unterdurchschnittlich. So entwickelte sich der Welthandel seit der Finanzkrise lediglich im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum, in den Jahrzehnten zuvor war der Warenhandel dagegen nahezu doppelt so schnell gewachsen wie das BIP-Wachstum, mit der Folge, dass sich der relative Anteil des Aussenhandels am BIP ständig erhöhte. Lag etwa der Exportanteil am Welt-Bruttoinlandsprodukt 1960 bei nicht einmal 10%, zog er bis zu seinem 2008-erklommenen Höchststand auf über 25% an. Besonders rasant verlief dabei seine Bedeutungszunahme in den Jahren 1990 bis 2000, dank Ende des „Kalten Krieges“, etlichen Freihandelsabkommen und Emporkommen Chinas als Handelsmacht. Ende 2008 führte die globale Finanz- und Wirtschaftskrise dann allerdings zum stärksten Einbruch des Warenhandels seit 1950. Auf die Krisenjahre folgte eine sehr schleppende Erholung, zwar konnte sich der Exportanteil am Welt-BIP heute – gut 10 Jahre nach der Finanzkrise – wieder auf knapp 23% berappeln, im historischen Vergleich fällt diese Erholung aber weit, weit unterdurchschnittlich aus.

Schifffracht- Welthandelsindex: Erholung auf tiefem Niveau

Wie schwach sich der Welthandel nach der Finanzkrise entwickelte, verdeutlicht auch der Baltic Dry Index, der die Verschiffungsfracht von Rohstoffen und damit das Umsatzvolumen des Welthandels auf der Anfangsstufe der Produktionskette präzise misst und folglich die Entwicklung des Welthandels frühzeitig gut abbilden kann. Im Vergleich zu den Vor-2008-Jahren dümpelt dieser Welthandels-Indikator auf sehr tiefem Niveau dahin. Dies kann weniger mit einem Preisverfall von Rohstoffen erklärt werden, als vielmehr mit den sehr geringen Handelsmengen. Übrigens sank der Index nicht erst in den letzten Jahren, sondern erreichte bereits Anfang 2016 seinen Tiefststand – also noch vor Amtsantritt von US-Präsident Trump. Im Sommer 2019 konnte er schliesslich ein 10-Jahreshoch erklim­men, das damit aber immer noch massiv tiefer lag als vor 2008.

Protektionistische Bestrebungen weit vor Amtsantritt Donald Trumps

Neben der schleppenden Wirtschaftserholung wird das Scheitern weiterer Handelsliberalisie­rungs­runden, etwa der Doha-Runde, resp. Freihandelsbestrebungen für das schleppende Welthandelswachstum verantwortlich gemacht, die schon vor Trumps-Präsidentschaft kaum mehr stattfanden. Zwar können die Folgen protektionistischer Massnahmen und einer damit verbundenen Fragmentierung globaler Lieferketten - gemäss IMF-Untersuchungen – bislang nur im geringen Masse aus den Handelsdaten entnommen werden. Doch lässt sich eine grundsätzlich zurückhaltendere Einstellung der Öffentlichkeit und Handelspolitik gegenüber der Globalisierung und deren Auswirkungen beobachten: Denn unbestritten ist auch in der Aussenhandels­theorie, dass es nicht nur Gewinner, sondern immer auch Verlierer des freien Handels gibt. Diese Verlierer können aber theoretisch vom gesamthaften, durch den Handel erzielten Wohlstandsgewinn entschädigt werden, beispielsweise über Transferzahlungen. In den vergangenen Dekaden wurden die Verlierer allerdings häufig nicht ausreichend kompensiert. Gemäss der Weltbank gehört in der entwickelten Welt vor allem die untere Mittelschicht zu den Globalisierungsverlierern, die sich im nationalen, aber auch internationalen Vergleich ärmer fühlt, was deren Unmut über die Globalisierung und den Wahlsieg von Donald Trump zumindest teilweise erklärt. Denn Globalisierungs­gewinner waren vor allem die Emerging Markets: Nicht nur deren Oberschicht ist wesentlich reicher geworden, sondern auch das untere und insbesondere das mittlere Einkommens­drittel.

Beginn des nächsten Jahrzehnts mit positiveren Vorzeichen

Auch wenn wir im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen von keiner neuerlichen Eskalation des Handelskonflikts in Form zusätzlicher Strafmaßnahmen ausgehen, werden die bestehenden Importzölle wohl bleiben und damit den globalen Warenaustausch weiter behindern. Der Handelskonflikt, bei dem es ja nicht nur um “fairen” Handel, sondern etwa auch um die technologische und wirtschaftliche Vormachtstellung im 21. Jahrhundert geht, erinnert ein wenig an den “Kalten Krieg” der 1970er und 1980er Jahre. Aber auch damals – und sogar während der beiden Weltkriege – kam die Globalisierung nicht vollständig zum Erliegen. Auch diesmal wird das der Fall sein! So soll der Welthandel gemäss jüngst veröffentlichten Prognosen der OECD in den nächsten beiden Jahren auch wieder um rund 4% zulegen, trotz aller handelspolitischen Konflikte.

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