ASSETCO MANAGEMENT AG
Advisors in Wealth Since 1996
Black Swan-Ereignis: Corona-Pandemie 01.04.2020
___________________________________________________________________________________________________________________________________________
«Black Swan» ist ein Buch des Publizisten und Börsenhändlers Nassim Nicholas Taleb über ein höchst unwahrscheinliches Ereignis, das häufig extreme Konsequenzen hat. Der Schwarze Schwan als Metapher wurde von ihm gewählt, da zu seiner Zeit schwarze Schwäne in der westlichen Welt noch unbekannt waren. Dabei treten nicht nur negative Black Swans wie die Finanzkrise oder der Fukushima-Atomunfall auf, sondern auch positive wie etwa die Entdeckung der antibakteriellen Eigenschaften von Penizillin oder die Entdeckung Amerikas auf der Suche nach einem neuen Weg nach Indien. Das geringe Auftreten solcher Ereignisse und ihre potenziell massiven Konsequenzen bringen es mit sich, dass die Annahme normalverteilter historischer Daten, auf die viele wirtschaftswissenschaftliche Modelle wie das Black-Scholes-Modell beruhen, sich für seltene oder gänzlich unbekannte Ereignisse («statistische» Ausreisser) nicht eignet.
Neuere wissenschaftliche Ansätze wie etwa diejenigen vom früheren UK-Notenbankpräsidenten Mervyn King verweisen in diesem Zusammenhang auf die Unterscheidung zwischen Risiko und Unsicherheit: Während Risiko anhand von historischen Datenreihen ermittelt werden kann, ist dies bei Unsicherheit nicht der Fall. Nach wie vor wird dieser Standardansatz in der Ökonomie allerdings auch zur Bestimmung der Unsicherheit angewendet, indem eine umfassende Liste an möglichen, völlig unsicheren Situationen in der Zukunft Wahrscheinlichkeiten zugeordnet wird. Daraus wird ein erwarteter Schaden oder Nutzen errechnet. Bei einem völlig unsicheren Ereignis ist dies jedoch problematisch, weil im Falle eines Black Swans der gesamte Schaden oder Nutzen anfällt. Bei diesen Ereignissen, die weder stabil sind noch wiederholt werden können, vermitteln konkrete Messzahlen daher nur eine falsche, u.U. gefährliche Gewissheit. Laut King wäre es ehrlicher, einfach zu sagen «wir wissen es nicht».
Wie wenig sinnvoll konkrete Prognosezahlen bei Black Swan-Ereignissen und deren Folgen sind, lassen heute die vielen, weit auseinanderliegenden Wirtschaftsprognosen betreffend Coronakrise erahnen: Ein Fed-Governor liess etwa verlauten, die US-Arbeitslosenquote könnte von derzeit 3.5% auf 15% steigen. Und auch die historischen Massnahmen der amerikanischen Notenbank suggerieren, dass die Welt am Rande einer Depression stehen könnte. Je nach Corona-Szenario prognostizieren die deutschen Wirtschaftsweisen ein Wirtschaftswachstum für 2020 von -1.5% bis -6%. Nicht ganz so weit auseinander liegen die entsprechenden Prognosezahlen des Seco für die Schweiz. Und auch die Einkaufsmanagerindizes, die sonst sehr gute Prognoseeigenschaften besitzen, sind in diesen Zeiten völlig unbrauchbar, da sie ebenfalls massiv schwanken. So schnellte etwa jüngst der völlig eingebrochene PMI für China von seinem historischen Tief im Februar (28.9 Punkte) auf jetzt 53 Punkte und liegt damit wieder im wirtschaftlichen Expansionsbereich. Aber auch diese Zahl sagt in solch einer Zeit wenig darüber aus, wie stark die Wirtschaftserholung in China in den nächsten Monaten sein wird. Solange die Coronakrise in der westlichen Welt nicht eingedämmt ist und damit eine Konkretisierung der wirtschaftlichen Folgen wenig sinnvoll ist, werden nicht nur die (wirtschafts-)politischen Entscheidungsträger, sondern auch die Finanzmärkte «auf tägliche Sicht» fahren müssen. Das heisst: Es wird eine längere Zeit sehr volatil an den Märkten bleiben und auch grössere Korrekturen können zwischendurch noch nicht ausgeschlossen werden.