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Ölpreiskollaps: Kurzfristig weniger Licht als Schatten 11.03.2020
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Das Scheitern der OPEC+-Verhandlungen mit Russland betreffend Förderkürzung am vergangenen Freitag führte zum stärksten Ölpreiseinbruch seit dem Golfkrieg 1991 auf das Tief von 31 USD/Fass (derzeit: knapp 38 USD), seit Jahresbeginn beläuft sich der Ölpreisrückgang sogar auf rund 50%! Hintergrund: Statt einer von Saudi Arabien vorgeschlagenen weiteren Förderkürzung werden nun sogar die bisherigen Förderkürzungen im Volumen von 2.1 Mio. Fass/Tag in Frage gestellt. Das Überangebot am Ölmarkt wird nun nicht nur wegen des Corona-bedingten Nachfrageausfalls ausgeweitet, sondern noch dazu durch Produktionserhöhungen der OPEC+.
Früher waren sich Volkswirte darin einig, dass ein niedriger Ölpreis gut für die Weltwirtschaft ist. Denn unter einem niedrigen Ölpreis leiden nur die wenigen Produzentenländer, dagegen profitieren die vielen (Netto-)Konsumentenländer. Diese Logik hat sich bereits beim letzten Ölpreiskollaps 2015 als falsch herausgestellt. So erwies sich der scharfe Ölpreiseinbruch 2015 als – zumindest kurzfristig – eher schlecht für Weltwirtschaft und Kapitalmärkte.
Denn zum einen sind die vielen Netto-Energieimporteure heutzutage weit weniger abhängig von Öl als Energielieferant als früher, deren Kaufkraft erhöht sich daher weniger durch einen Ölpreisrückgang. Statt einer der grössten Netto-Ölimporteure weist die USA heutzutage sogar einen leichten Export-Energieüberschuss aus. Zugleich ist die US-amerikanische Fracking-Industrie ein wichtiger Wachstumstreiber für die US-Konjunktur geworden. So entfällt gut 10% der US-Industrieproduktion auf den Sektor. Die Mehrzahl der Förderprojekte wird aber bei Ölpreisen unter 50 US-Dollar unprofitabel, was Firmenkonkurse und Entlassung von Mitarbeitern zur Folge haben wird. Entsprechend könnte die US-Wirtschaft im zweiten
Quartal deutlich stärkere Schwächetendenzen zeigen als bisher erwartet.
Zudem: Bereits 2015 nutzten die Konsumenten das Mehr an Kaufkraft durch geringere Ölpreise nicht, um ihren privaten Verbrauch hochzufahren und dadurch die Konjunktur zu stimulieren. Sie sahen vielmehr den scharfen Preisrückgang als einmaligen Ausrutscher (und nicht dauerhaften Effekt) an und sparten das überschüssige Haushaltsgeld. Aktuell dürfte sich dies sogar in verstärkter Form zeigen, weil viele Verbraucher durch das Corona-Virus zusätzlich verunsichert sind. Positive Effekte auf Konsum und Wirtschaft sind erst mittelfristig zu erwarten. Denn der sich abzeichnende inflationsdämpfende Effekt des Ölpreisverfalls dürfte bereits kurzfristig den Druck auf die Notenbanken zusätzlich erhöhen, die Geldpolitik weiter zu lockern, was allerdings bestenfalls mittelfristig realwirtschaftliche Auswirkungen zeigen wird.
Eindeutig negative Folgen hat der Ölpreiskollaps hingegen für amerikanische High Yield-Anleihen, bei denen gerade die Fracking-Firmen stark vertreten sind, deren erwartete Ausfallraten auch Abstrahleffekte auf andere Risikoanlagen haben werden. Und steigende Risikoaufschläge für bonitätsschwache Unternehmensanleihen gehen üblicherweise mit rückläufigen KGVs am Aktienmarkt einher. Während Energieaktien im EuroStoxx lediglich mit rund 5% vertreten sind, macht der Energiesektor in den USA - je nach Index - mehr als doppelt so viel aus. Aber: Die grossen integrierten Ölkonzerne sind auch in den USA nicht nur im Upstream, sondern auch Downstream (etwa Raffinerien) tätig. Und Letzteres profitiert von sinkenden Ölpreisen.